Hi Sheldon :: Ein Anfang

Heute ist der 26. Juni 2023. Das ist so circa fast genau 30 Jahre nach deinem Tod. Und ich fange dieses Projekt hier an. So wie ich jedes Projekt anfange, das mir einfällt und zusagt und von dem ich überzeugt bin, dass es gut ist.

Ich habe viele Jahre, vor allem die letzten zehn Jahre überlegt, wie ich diese Geschichte hier, unsere, meine (ja wessen Geschichte ist es eigentlich?) zu Papier bringen kann.

Ich glaube du weißt gar nicht, wie sehr das Schreiben meine Leidenschaft ist. Denn ich habe damit angefangen, als du schon nicht mehr da warst. Habe ich vorher Tagebuch geschrieben? Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber Geschichten, Texte… das kam erst später. Es ist mein Kanal. Mein Abfluss für alle Gefühle, die ich nicht anders greifen kann, für alle Gedanken, die ich mitteilen möchte. Mit denen, die sie lesen wollen und irgendwie auch mit mir selbst. Denn was ich aufschreibe, verstehe ich auch besser.

Was dein Tod mit mir gemacht hat, verstehe ich bis heute nicht so ganz. Da sind viele Gefühle und Gedanken dazu da. Manchmal glaube ich, dass du einen Teil von mir mitgenommen hast. Und zwar einen sehr wesentlichen. Ins Grab oder dahin, wo du jetzt bist. Ich mag die Vorstellung, dass du irgendwo anders bist als von Würmern zerfressen unter kalter Erde auf dem Friedhof in Wernigerode. Natürlich weiß ich es nicht, das macht die Vorstellung, dass du um mich herum bist aber auch erst möglich in meinem Kopf. Und sie beruhigt mich. Ich möchte daran glauben und halte daran fest. Wer will es mir wegnehmen?

Ich wollte so gern Bücher schreiben über mich und all das, was das mit mir gemacht hat, dass ich mit vierzehn Jahren meinen großen Bruder verloren habe. Aber ich wusste nicht wie. Wer will das denn lesen? So viele Menschen verlieren Menschen. Alle gehen sie damit auf ganz individuelle Weise um. Und dennoch lese ich gern, wie es anderen geht und fühle mich verbunden mit Fremden, die ähnliches erlebt haben. Und weil mir Gespräche mit dir fehlen, Gespräche, von denen ich einfach glaube, dass wir sie führen würden heute, schreibe ich dir. Und wer weiß, vielleicht kannst du das sogar lesen wenn du irgendwo bist, wo du durch Wände gehen und auf Bildschirme schauen kannst. Hinterlass mir doch einen Kommentar, wenn du das kannst. Haha, da würde ich schön schauen.

Wie du in diesem ersten wirren Brief hier an dich siehst, beschäftigen mich viele Fragen. Alles hat irgendwie mit dir zu tun. Weil du einfach fehlst. Du fehlst mir als der Mensch, den ich nicht mehr habe und vor allem als der, der du nie sein konntest in meinem Leben. Es gibt nichts, was ich mit dir teilen kann und das fehlt mir mehr als unser Gekicher im Kinderzimmer. Denn daran kann ich mich wenigstens erinnern.

Und vielleicht hilft es mir diese unfassbare Lücke in mir zu stopfen. Dieses Loch, das ich egal womit versucht habe zu füllen, aber es wird nicht kleiner. Es ist da. Und vielleicht ist es gar kein Loch, das man füllen muss, sondern ein schwerer Haufen Erde, den man loswerden muss. Indem man ihn sich weg schreibt. Vielleicht ist es auch eine alte Decke, die man mal ausschütteln und waschen muss, sich dann umhängt und damit wärmt anstatt sich immer wieder daran zu kratzen.

Soviel mal als Anfang hier. Ich verheddere mich, wenn ich jetzt noch mehr schreibe. Ich freue mich einfach nur, dir jetzt zu schreiben.

Bis bald, Dein Küken

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