Der Sommer kommt

Hier ist gerade die letzte Schulwoche im Gang. Die Kinder freuen sich alle wie bekloppt auf ihre Ferien. Und weißt du, was ich mir wünsche? Dass ich mich einmal so mit ihnen freuen würde. Natürlich freue ich mich irgendwie für sie und zeige ihnen das auch. Aber ich würde auch gern selbst diese Freude spüren und sagen: „Geil, jetzt machen wir es uns 9 Wochen richtig bunt!“

Dabei wird mir seit Wochen schon wieder schwindlig allein beim Gedanken daran, dass wir jetzt 9 Wochen Ferien haben. Klar, ich hab ja auch nicht 9 Wochen frei, das sind nur die Kinder. Ich hab ein bisschen Urlaub und den Rest decke ich mit Homeoffice ab. Dennoch habe ich die schöne Vorstellung, dass ich einfach jeden Tag zu einer bestimmten Zeit Feierabend mache, in die Hände klatsche und rufe: „So Kinder, was machma schönes?“ Aber das kann ich nicht. Das ist, als müsste ich zum Zahnarzt gehen und sagen: „Ja, das wird bestimmt lustig.“ Wird es nicht. Nie.

Ich weiß nicht, warum ich das nicht kann, wenn ich es doch will. Ich finde es wahnsinnig anstrengend mit den Kindern etwas zu unternehmen. Ich muss mich dazu bewegen, ich muss Dinge einpacken, ich muss mir was überlegen, wir müssen losziehen und sobald wir draußen sind und unterwegs, denke ich daran, wann wir wieder heimgehen können, wann es genug ist. Dabei ist es wurscht, ob wir auf den Spielplatz gehen oder in ein Schwimmbad fahren. Es ist für mich alles die gleiche Anstrengung. Ich verweigere es auch Ausflüge fürs kommende Wochenende anzukündigen, weil ich mich damit festlege und die Kinder sagen können: „Aber wir wollten doch…“. Ich will fast überhaupt nie. Und das finde ich unfassbar schade.

Warum ist das so? Warum kann ich nicht eine ganz normale Mutter sein, die gern mit ihren Kindern was unternimmt? Die lieber mit ihnen rausgeht, als in der Wohnung zu hocken? Aber ich hocke ja auch allein lieber in der Wohnung, als rauszugehen. Das tut mir aber nicht gut.

Ich habe versucht das alles mit Hypnose zu bearbeiten, weil ich mir dachte: Da muss doch ein tieferliegendes Thema sein, dass es mir so schwer fällt, einfach mal das Haus zu verlassen! Und das einzige, wohin mich die Hypnose immer führt (und die führt ja fast immer ins Unterbewusstsein, also dahin, wo wir rational nicht gut hinkommen), bist du. Dein Tod und die Zeit danach. Es fühlt sich an, als hättest du den lustig leichten Teil von mir einfach mitgenommen. Als wäre er mir ins Grab gefallen, als ich drei handvoll Erde reingeworfen habe. Als hätte dieses Erlebnis alle Energie aus mir rausgefischt. Dann denke ich daran, wie ich auch damals völlig regungslos im Leben stand und nicht mehr wusste, wo ich mit mir hin sollte. Das Gefühl hatte, für alle anderen mit meinem Erlebten zu viel zu sein.

Gleichzeitig kann das eine ganz normale Form von Depression sein. Diese pure Antriebslosigkeit. Keine Lust auf irgendwas. Keinen Sinn darin sehen, etwas zu bewegen, zu tun. Lieber zu sitzen, als einen Fuß nach vorn zu setzen. „Mach doch einfach!“ würde man Menschen wie mir raten. Aber genau das will nicht funktionieren und das funktioniert schon lange nicht. Solange ich mich erinnern kann funktioniert das schon nicht. Und meine Erinnerung reicht sehr klar bis zu deinem Tod. Alles davor ist verschwommen. Milchglas. Aber ich weiß, dass ich als Kind schon viel draußen war. Gespielt habe. Was davon war natürlicher kindlicher Antrieb? Wo hört der auf? Wo fängt Depression an?

Es ist einfach so etwas auf Dich und Deinen Tod zu schieben. Andererseits ist es ja auch völlig logisch und verständlich, dass das der Auslöser sein kann. Sagen kann mir das vermutlich keiner. Du schon gar nicht. Aber ich würde mir wünschen, dass das leichter wird. Dass ich leichter werde, mich leichter anfühle. Darf ich leichter werden und dich trotzdem vermissen? Kann dieser Umhang der Trauer sich irgendwann von meinen Schultern heben? Werde ich mich irgendwann mal mit meinen Kindern auf die Ferien freuen und darauf, mit ihnen ins Schwimmbad zu fahren? So wie wir damals. Du hast mich oft mitgenommen, wenn du mit deinen Freunden losgezogen bist. Ins Schwimmbad oder an den Grünen See. Eigentlich uncool, die kleine Schwester, oder?

Endlich Ferien! würde ich gern rufen. Ohne zu seufzen. Heimlich freue ich mich auf den Herbst. Wie jedes Jahr.

Bis bald,
Dein Küken

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